Dieser große Lyriker hat nichts getan, als daß er das deutsche Gedicht zum erstenmal vollkommen gemacht hat.
So anspruchsvoll urteilte ausgerechnet Robert Musil über das dichterische Werk Rainer Maria Rilkes, der doch seit Lebzeiten nicht nur geschätzt, sondern auch der Gefühlsduselei und des Gedanken-Kitsches geziehen wurde. Dennoch wird niemand leugnen, dass Rilke zu den ganz wenigen deutschsprachigen Dichtern der klassischen Moderne von Weltgeltung gehört. Die umfangreiche Auswahl konzentriert sich auf das poetische Werk, bietet die gesamte Lyrik (von verworfenen Frühwerken abgesehen), die gesamte kurze Prosa und Rilkes einzigen Roman 'Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge' philologisch auf neuestem Stand und knapp, aber hilfreich kommentiert.
Autorenportrait:
Rainer M. Rilke (1875-1926), der Prager Beamtensohn, wurde nach einer erzwungenen Militärerziehung 1896 Student, zuerst in Prag, dann in München und Berlin, weniger studierend als dichtend. Die kurze Ehe mit der Bildhauerin Clara Westhoff in Worpswede löste er 1902 auf. Er bereiste darauf Italien, Skandinavien und Frankreich. In Paris schloß er Bekanntschaft mit Rodin und wurde dessen Privatsekretär. Bereits nach acht Monaten kam es zum Bruch. Es folgten unstete Jahre des Reisens mit Stationen in verschiedenen Städten Europas. Nach seinem Entschluß zur Berufslosigkeit und zu einem reinen Dichterdasein war Rilke zu jedem Verzicht bereit, wenn es dem Werk galt. Er opferte sein Leben seiner Kunst und gewann Unsterblichkeit, indem er unerreichte Sprach- und Kunstwerke schuf. Im Ersten Weltkrieg war er zur österreichischen Armee eingezogen, wurde aber aufgrund seiner kränklichen Konstitution in das Wiener Kriegsarchiv versetzt. Rilke starb nach langer Krankheit in Val Mont bei Montreux.Gunter Martens, geboren in Hamburg. Studium der Germanistik, Philosophie und klassischen Philologie an den Universitäten Hamburg und Münster. Promotion 1968 über den Lebenskult im Expressionismus. Ab 1960 wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Wissenschaftlicher Rat an der Universität Hamburg. 1977 Berufung als Professor für deutsche Literaturwissenschaft an das Literaturwissenschaftliche Seminar (später: Seminar für Germanistik II) der Universität Hamburg. Emeritierung 1999.