Fußball ist eine schlaglichtartige, hochunterhaltsame und mit autobiographischen Abschweifung versehene Liebeserklärung eines Intellektuellen an eine der wenigen Leidenschaften, die neben der Literatur Bestand hat: Fußball.
Jenen Sommerabend, an dem Argentinien und die Niederlande um den Einzug ins Finale der Fußballweltmeisterschaft spielen, verbringt Jean-Philippe Toussaint in seinem Arbeitszimmer auf Korsika. Draußen tobt ein Unwetter, es ist dunkel, der Strom ist ausgefallen. Aus einem kleinen Transistorradio tönt die aufgeregte Stimme eines italienischen Kommentators, es gibt Elfmeterschießen, Maxi Rodriguez setzt zum Schuss an, die Fans jubeln ... lebensnahe, dem Autor eigentlich wesensfremde Bilder beginnen, sich mit seinen Romanwelten zu überlagern, in die poetische, zerbrechliche Allgegenwart der Literatur einzudringen und verlorengegangenen Empfindungen und vergrabene Erinnerungen wachzurufen: An grünen Rasen im Flutlicht, einen gebrochenen Arm und kindliche Tränen, Puplic Viewing in Japan - fünf Weltmeisterschaften. Fußball ist eine schlaglichtartige, hochunterhaltsame und mit autobiographischen Abschweifung versehene Liebeserklärung eines Intellektuellen an eine der wenigen Leidenschaften, die neben der Literatur Bestand hat: Fußball. In seiner unvergleichbaren Art, ebenso sensibel wie schelmisch, erschafft Jean-Philippe Toussaint Bilder vom Fußball, die von der Begeisterung der Kindheit, seiner Beschwörungsmacht und seiner fragilen Klarheit erzählen. Bilder, die Toussaint entstehen lässt, um der Literatur ein Fest zu bereiten. Jean Birnbaum, Le Monde
Leseprobe:
Vielleicht liegt die verborgene Herausforderung dieser Zeilen im Versuch, den Fußball aus seiner niedrigen, gewöhnlichen und leichtverderblichen Materie in eine unverrückbare Form zu verwandeln, die den Jahreszeiten, oder der Melancholie, der Zeit und der Kindheit nahekommt. Niemals habe ich so wie damals in Japan 2002 eine derartig perfekte Übereinstimmung der Zeiten erlebt, wo die abstrakte und heilende Zeit des Fußballs für die Dauer eines Monats die wirkliche Zeit zwar nicht ersetzte, aber in ihren weit größeren Fluß geglitten und hineingeschmolzen war, und ich das Vergehen der Zeit wie eine lange und schützende Liebkosung wahrnahm, wohltuend, beschützend, apotropäisch. Nichts kann uns geschehen, während wir ein Fußballspiel betrachten: gleichsam wie in wohltuender nächster Nähe des Geschlechts einer Frau in den verschiedenen Stellungen des Liebesaktes, wo instantan jede Angst vor dem Tod verfliegt und betäubt wird und in die Feuchte und Süße der Umarmung schmilzt, so hält Fußball, während wir ihn betrachten, uns radikal auf Distanz vor dem Tod. Ich erwecke den Anschein, als schreibe ich über Fußball, aber ich schreibe, wie immer, über die Zeit, die verrinnt.