Was geschieht, wenn einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller, der selbst ein Muslim ist, sich in die christliche Bildwelt versenkt?
Navid Kermani sieht staunend eine Religion voller Opfer und Klage, Liebe und Wunder, unvernünftig und abgründig, zutiefst menschlich und göttlich: ein Christentum, von dem Christen in dieser Ernsthaftigkeit, Kühnheit und auch Begeisterung nur noch selten sprechen.
Es ist ein Wagnis: Offenen Herzens, mit einer geradezu kindlichen Neugier steht Navid Kermani vor den großen und vor unbekannten Werken der christlichen Kunst. Und es wird zum Geschenk: Denn seine berückend geschriebenen Meditationen geben dem Christentum den Schrecken und die Schönheit zurück.
Kermani hadert mit dem Kreuz, verliebt sich in den Blick der Maria, erlebt die orthodoxe Messe und ermisst die Größe des heiligen Franziskus. Er lehrt uns, in den Bildern alter Meister wie Botticelli, Caravaggio oder Rembrandt auch die Fragen unserer heutigen Existenz zu erkennen - mit klarem Blick für die wesentlichen Details und die untergründigen Bezüge auch zu entfernt scheinenden Welten, zur deutschen Literatur, zum mystischen Islam und selbst zur modernen Heilgymnastik. Seine poetische Schule des Sehens macht süchtig: süchtig nach diesem speziellen Blick auf das Christentum und sehnsüchtig danach, selbst so sehen zu können.
Navid Kermani, geboren 1967, promovierter Islamwissenschaftler und Publizist, gilt als führender Iran-Experte in Deutschland und hat zwischen 1995 und 2000 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Entwicklung in Iran verfolgt. Für das Studienjahr 2000/2001 ist er an das Wissenschaftskolleg in Berlin berufen worden. 2010 wurde Navid Kermani mit der Buber-Rosenzweig-Medaille 2011 ausgezeichnet und 2011 erhielt er den Hannah-Arendt-Preis für seine lagerüberwindenden, religionswissenschaftlichen und politischen Analysen . Im Jahr 2012 wurde er für seine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Religionen sowie den von ihm betriebenen Dialog der Kulturen mit dem Kölner Kulturpreis ausgezeichnet, im Oktober erhielt er den Cicero Rednerpreis für herausragende rhetorische Leistungen . Im November desselben Jahres wurde ihm der Kleist-Preis verliehen. 2014 erhielt er den Joseph-Breitbach-Preis für sein Gesamtwerk, 2015 wurde ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.