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Die Erzählungen

Die hier vorgelegten kurzen Erzählungen Dobyčin – sie erschienen zwischen 1924 und 1930 verstreut in literarischen Zeitschriften und Almanachen Leningrads – bilden so etwas wie das Manifest des erzählerischen Stils dieses Autors, der sich im übrigen theoretischnie geäußert hat, es sei denn in aphoristischen Bemerkungen in Briefen. Dobyčins Erzählstil ist geprägt von Puschkins Diktum überdie künstlerische Prosa »Genauigkeit undKürze« wie von Anton Cechovs Forderungnach »äußerster Kürze«.

Verlag Friedenauer Presse
ISBN 9783932109805
2013

Erscheinungsdatum: 01.10.2013 . 1. 1. Auflage . 216 Seiten. 20.1 x 12.9 cm . Hardcover .

Hardcover

lieferbar innerhalb von 2 Werktagen
Über den Artikel

1987 wurde Joseph Brodsky, frisch gekürter Nobelpreisträger für Literatur, von Studenten gefragt, welchen russischen Prosaschriftsteller er im XX. Jahrhundert für den bedeutendsten halte. Brodsky zögerte mit einer Antwort, und als ihm Namen wie Babel, Bulgakov und Platonov zugeraunt wurden, sagte er schnell und bestimmt: »Dobyčin. Leonid Dobyčin«, einen Autor, der selbst in Rußland den wenigsten bekannt war.

An ihm – er lebte 1894 bis 1936 – bestachen Brodsky die »Gogolsche Kraft«, »das geschärfte Gefühl für die Semantik«, die »Proustsche Aufmerksamkeit für das Detail (das in seiner Bedeutung die Hauptsache überwuchere)« und eine »starke Joycesche Note«, bezogen wohl vor allem auf The Dubliners.

Alle diese Eigenheiten erkannte Brodsky an Dobyčins Roman Die Stadt N. (1935): »Lebenin der Provinz. Alles geschieht wie immer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht. Geschehen war, übrigens, die Revolution.«

Die hier vorgelegten kurzen Erzählungen Dobyčin – sie erschienen zwischen 1924 und 1930 verstreut in literarischen Zeitschriften und Almanachen Leningrads – bilden so etwas wie das Manifest des erzählerischen Stils dieses Autors, der sich im übrigen theoretischnie geäußert hat, es sei denn in aphoristischen Bemerkungen in Briefen. Dobyčins Erzählstil ist geprägt von Puschkins Diktum überdie künstlerische Prosa »Genauigkeit undKürze« wie von Anton Cechovs Forderungnach »äußerster Kürze«.

Diese Forderung wird von Dobyčins Erzählungen nochmals radikal reduziert auf einMinimum des Möglichen und Allernötigsten. Die Rolle des Erzählers entfällt bzw. wirdübernommen von einer imaginären, absolutobjektiven Filmkamera, deren Aufnahmeneben jener »treffenden Details« mit der modernen Schnittechnik der Montage neu zusammenfügt: russische Provinz, hier die westrussische Kleinstadt Brjansk in den Jahren nach der Revolution: »Alles geschieht wieimmer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht.«

Nur daß dieses »Nichts« in Wirklichkeit ungeheuer viel – bei Dobyčine Konzentration und Dichte erlangt, wiesie erzählerische Prosa im Russischen niewieder erreicht hat: Dobyčin rückt die Gattung der Prosaminiatur an die Grenze zumepischen, bisweilen sogar lyrischen Gedicht.


Peter Urban, geboren 1941 in Berlin, studierte Slavistik, Germanistik und Geschichte in Würzburg und Belgrad, war Verlagslektor bei Suhrkamp, Hörspieldramaturg beim WDR und ist Lektor im Verlag der Autoren in Frankfurt; er übersetzte u.a. Werke von Gorkij, Ostrovskij, Daniil Charms, Kazakov, Chlebnikov und das gesamte dramatische Werk von Anton Cechov. Für seine Neuedition und -übersetzung der Cechov-Briefe wurde ihm der Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis zuerkannt.

über die Autoren
Leonid Dobycin

Leonid Dobyčin (1894-1936) gehört zu den großen Autoren der lange verfemten Petersburger Avantgarde, der seit dem Ende der Sowjetherrschaft, neben Daniil Charms und Isaak Babel, wiederentdeckt und angemessen gewürdigt wird. Dobyčin geriet 1935 ins Zentrum der berüchtigten Formalismus-Debatte, er wurde als Volksfeind bezeichnet. Der Roman...

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Hussel, Horst

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