»Überhaupt rätsele ich an Ihrem Leumund herum ('Enzensberger, und Genossen ...')« Uwe Johnson an Hans Magnus Enzensberger - »wer meine genossen sind wüßte ich selber gern« Hans Magnus Enzensberger an Uwe Johnson
1959, kurz nach Uwe Johnsons Übersiedelung in den Westen Berlins und der Veröffentlichung seines Debütromans »Mutmassungen über Jakob«, beginnen der Briefwechsel und die Freundschaft zwischen ihm und Hans Magnus Enzensberger. Über einen Zeitraum von acht Jahren verständigen sie sich über die literarische und politische Lage und diskutieren die Spielräume politischen Engagements.
Zugleich aber zeugen die 161 Dokumente von einer Auseinandersetzung über Möglichkeiten und Grenzen von Freundschaft. Bereits im Oktober 1966 forderte Uwe Johnson, den gemeinsamen Briefwechsel »nicht mehr fuer eine kuenftige Edition und Altersversorgung einzurichten sondern fuer Zwecke der brutalen Verstaendigung«. Über scheinbar Alltäglichem kommt es zu prinzipiellen Betrachtungen und zuletzt zu einem Zerwürfnis: Dass Uwe Johnson seine Berliner Wohnungen Enzensbergers erster Frau Dagrun und dessen Bruder Ulrich zur Verfügung stellt, führt in Aporien von Vertrauen, Bürgschaft und Verantwortung.
Ein Jahr später erreicht selbst diese Verständigung ihre Grenzen - unter Hinterlassung einer Korrespondenz, bei der sich beide Partner nichts schuldig bleiben: am wenigsten den hochpointierten Dialog zweier grundverschiedener Naturen. Ihre Edition liegt hiermit vor.
Uwe Johnson wurde 1934 in Kammin/Vorpommern geboren. Er studierte Germanistik in Rostock und Leipzig. In Rostock weigerte er sich, die staatliche Verleumdung der Jungen Gemeinde zu unterstützen, weshalb er exmatrikuliert wurde. Im Zuge der staatlichen Schadensbegrenzung nach dem 17. Juni 1953 wurde Johnson wieder zum Studium zugelassen. Johnsons Mutter verließ mit seiner Schwester 1956 die DDR. Er blieb. Erst zum Erscheinen seines Romans »Mutmassungen über Jakob«, 1959, zog Johnson nach Westberlin. Nach den ersten Romanen einigte sich die Kritik zu Johnsons Missfallen auf das Etikett Dichter der beiden Deutschland. 1960 erhielt er den Fontane-Preis der Stadt West-Berlin. Von 1966 bis 1968 lebte er mit seiner Familie in New York, wo er als Schulbuchlektor arbeitete. 1971 wurde der Schriftsteller mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Drei Jahre später zog Johnson nach Sheerness in England, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1984 lebte.